Bildungsbeirat

Bildungsbeirat der Stadt Weiterstadt – lokale Bildungspolitik im globalen Kontext
 
Am 9.2.2006 wurde im Rahmen einer großen Veranstaltung der Bildungsgesamtplan der Stadt Weiterstadt der Öffentlichkeit präsentiert. Hierzu konnten wir Frau Elsbeth Stern vom Max Planck Institut für Bildungsforschung in Berlin mit einem Vortrag zu dem Thema „Intelligentes Üben als Schlüssel zum Erfolg gewinnen“. Damit ist die Arbeit des Bildungsbeirats noch nicht beendet, es schließt sich aber der Kreis. Mit der Präsentation der PISA-Studie im Juni 2002 beim 1. Stadtgespräch begann eine Veränderung der Weiterstädter Bildungslandschaft. Teilnehmer der Veranstaltung verlangten nach konkreten Handlungskonzepten, erfreulicherweise reagierte die Politik: Die Stadtverordneten beriefen einen aus Fachleuten bestehenden Bildungsbeirat, in dem alle Schultypen, die Jugendhilfeeinrichtungen, die Kirchen, die Eltern und Schüler vertreten waren. Hier und in einem weiteren Artikel geht es darum, wie dieses – nach unserem Kenntnisstand – einzigartige Projekt auf den Weg gebracht und welche Ergebnisse dabei erreicht wurden.
 
Der Bildungsbeirat der Stadt Weiterstadt – der Auftrag
Der Bildungsbeirat bekam im November 2002 den Auftrag, die gesamte Bildungslandschaft des Ortes zu erfassen und daraus ein Konzept der Optimierung von der Kleinkindbetreuung bis hin zum Abitur und der Berufsausbildung zu entwickeln. Recht zügig wurde der 1. Bildungsbericht mit Vorschlägen zum weiteren Vorgehen den Stadtverordneten zur Diskussion und Beschlussfassung vorgelegt; die Zustimmung war für die Mitglieder des Bildungsbeirates eine starke Motivation für ihre Arbeit. In Dialog-Foren mit Vertretern des staatlichen Schulamtes, des hessischen Kultus- und des Sozialministeriums, der Stadt Weiterstadt und Mitarbeiter/innen der Kindertagesstätten, der Schulen und Elternvertretern sowie durch Pressegespräche konnte eine Öffentlichkeitswirkung hergestellt werden, die weit über die Grenzen von Stadt und Landkreis hinaus ging und noch geht. In vielen Arbeitssitzungen wurden die Grundlagen für den Bildungsgesamtplan gelegt, der bereits ein Jahr später abgefasst und den Beschlussgremien vorgelegt werden konnte, auch hier erfolgte eine einstimmige Verabschiedung in der Stadtverordnetenversammlung. Parallel dazu entstand auf der Basis einer Fachtagung ein Konzept von Schulsozialarbeit für alle Grund- und weiterführenden Schulen; auch dieses Ergebnis wurde von den Stadtverordneten verabschiedet.
 
Der Bildungsgesamtplan – ein Zwischenergebnis
Der BILDUNGSGESAMTPLAN 2005 -2010 der Stadt Weiterstadt baut auf dem ersten Bildungsbericht der Stadt Weiterstadt auf und konkretisiert die dort enthaltenen pädagogischen Orientierungen und Empfehlungen. Er stellt somit eine Ziel- und Handlungsorientierung der Bildungsinstitutionen von der Krippe bis zur Sekundarstufe II dar und ist somit auch Arbeitsgrundlage eines lokalen Netzwerkes Bildung. Durch seine Verabschiedung in der Stadtverordnetenversammlung ist der Bildungsgesamtplan auch ein politisches Dokument, das den Willen der Kommune zeigt, sich bildungspolitisch zu positionieren und die Institutionen bei der Förderung der Kinder und Jugendlichen dieser Stadt zu unterstützen. Der vorliegende Bildungsgesamtplan hat sich dynamisch entwickelt in vielen Diskussionen innerhalb des Bildungsbeirates, sowie im Rahmen von öffentlichen Diskussionsrunden im Dialog mit den Mitarbeitern der Institutionen und den Eltern. Es wird nun in den nächsten Jahren darauf ankommen, die in diesem Bildungsgesamtplan dargelegten Ziele und Maßnahmen Stück für Stück umzusetzen und somit die Zukunftsfähigkeit der Bildungsinstitutionen vor Ort adressatenorientiert zu erhalten und zu verbessern. Die Ausgangssituation für die Einrichtung des Bildungsbeirates der Stadt Weiterstadt und die von ihm getroffenen Aussagen im ersten Bildungsbericht und im hier vorgelegten Bildungsgesamtplan war die PISA – Diskussion in Folge der ersten Untersuchung 1999 mit ihren bekannt ungünstigen Ergebnissen. Mittlerweile liegen die Ergebnisse der 2. Untersuchung aus dem Jahre 2002 vor. Auch wenn sich die Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften im internationalen Maßstab leicht verbessert haben, sind weiterhin gravierende Mängel zu konstatieren: Die hohe Zahl so genannter Risikoschüler, so können z.B. 22% der 15-jährigen Texte nicht mit ausreichendem Verständnis lesen und nur auf Grundschulniveau rechnen. Die Bildungsreserven an deutschen Schulen werden nur unzureichend gefördert. In keinem anderen vergleichbaren Land gibt es so starke Zusammenhänge zwischen sozioökonomischem Status der Eltern und der schulischen Qualifikation der Kinder. Der Bildungsbeirat hat sowohl eine Bestandsaufnahme geleistet als auch Wege in die Zukunft aufgezeigt. Das Kind bzw. der Jugendliche mit seinen Zukunftschancen steht dabei im Mittelpunkt. Für die jeweiligen Systeme bildet diese Leitorientierung den Referenzrahmen für ihre eigenen Veränderungen. Zum Selbstverständnis der Vertreter der am Bildungsbeirat beteiligten Institutionen gehören insbesondere folgende Aufgabenstellungen: die Entwicklung von Handlungskonzepten und Zielorientierungen in Fragen der Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen im Auftrag der politischen Gremien die Einleitung und Gestaltung von Maßnahmen zur Förderung des Dialoges zwischen Bildungs- und Jugendhilfeträgern mit den Zielen: vorhandenes Expertenwissen zu bündeln
– konkrete Projekte und Praxisfelder zur Vernetzung der Bildungsbereiche anzuregen und deren Umsetzung zu realisieren
– Projektträger zu beraten und zu stützen
– einen jährlichen Bildungsbericht zu erstellen, um die Fachöffentlichkeit und politischen Gremien sowie die für Bildungsfragen zuständige Administration auf Kreis- und Landesebene zu informieren und zur Unterstützung von Handlungskonzepten zu veranlassen. Mit der Konstituierung des Bildungsbeirats machte die Stadt Weiterstadt deutlich, dass sie Verantwortung übernehmen möchte für die Entwicklung von Bildungskonzepten auf örtlicher Ebene. Dies geschieht unter Beachtung der klar definierten Verantwortung des Landes und des Kreises für schul- und bildungspolitische Fragen und versteht sich als Ergänzung der von dort zu verantwortenden Bildungspolitik. Ungeachtet unterschiedlicher Positionen zu einzelnen Komplexen dieses Themas besteht ein breiter Konsens darüber, dass Bildung in der Wissensgesellschaft zentrale Funktion für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft hat und in diesem Sinne ein Beitrag auf lokaler Ebene geleistet werden soll.
 
Bildungsgrundsätze – etwas Hintergrundphilosophie
Die Mitglieder des Bildungsbeirats haben aus der Fülle der vorliegenden Konzepte diejenigen herausgesucht und in ihre Grundphilosophie eingebaut, die aus den jeweiligen Arbeitszusammenhängen den aktuellen Diskussionstand am besten wiederspiegeln und die für die Gesamtgruppe eine Chance für einen Konsens boten. Da diese Grundpositionen nachzulesen sind und der Gruppenprozess auch nicht wiedergegeben werden muss, beschränken wir uns hier auf die stark verkürzte Wiedergabe einiger Leitlinien und verweisen auf die Quellen. Die Delphi-Studie aus dem Bundsministerium für Bildung und Forschung aus dem Jahr 1998 enthält Kernaussagen zu einer Wissensgesellschaft der Zukunft, in der Bildung als umfassender Prozess der Entwicklung und Entfaltung der Fähigkeiten gesehen wird. Bildungs-, Sozial- und Jugendhilfepolitik muss stärker miteinander verknüpft und auf den Ausgleich von Benachteiligung ausgerichtet sein: Bildung darf nicht selektieren. Bildung endet nicht mit der Schule, die Kinder- und Jugendhilfe wird als Bestandteil des Bildungssystems gesehen, es bedarf entsprechender Vernetzung und gemeinsamen Zielorientierungen. Eine Realisierung scheint am ehesten in entsprechenden schulischen Ganztagsangeboten und Ganztagsbetreuung in Kindertageseinrichtungen gegeben.   Lehren und Lernen für die Zukunft – etwas Zukunftsphilosophie Aus der Fülle unterschiedlicher Ansätze für eine Zukunftsperspektive hat sich der Bildungsbeirat für das Konzept Lehren und Lernen für die Zukunft aus dem Projekt Selbständige Schule in Nordrhein-Westfalen entschieden. Ausgehend von den Kernaussagen dieses Ansatzes wurden durch den Bildungsbeirat entsprechende Perspektiven für die Bereiche Tagespflege/Kindertageseinrichtungen/ Jugendförderung sowie Grund, – Förder- und weiterführende Schulen formuliert. Kinder, Jugendliche, alle Menschen lernen ständig in unterschiedlichen Kontexten. Ihre Lernprozesse sind höchst individuell und komplex. Jugendliche müssen zum Ende ihrer Pflichtschulzeit ein ganzes Bündel von Kompetenzen erworben haben, um lebens– und berufsbedeutsame Situationen erfolgreich meistern zu können. Ein Leitbild einer dafür notwendigen guten Lernkultur lässt sich durch die Angabe von fachlichen und überfachlichen Bildungszielen darstellen. Im einzelnen geht es um den Erwerb
-intelligenten und anwendungsfähigen Wissens -variabel nutzbarer Schlüsselqualifikationen -Lern- und sozialen Kompetenzen -Wertorientierungen. -Kindertagesstätten und frühe Bildung
Aufbauend auf den neueren Erkenntnissen der Hirnforschung und der Bildungsforschung sieht der Bildungsbeirat die Notwendigkeit, Bildungsprozesse von Kindern früher zu stützen und zu fördern. Dies erfordert eine Neubewertung des Systems der frühen Bildung in Kindertageseinrichtungen und im primären Bildungssektor, den Grundschulen. Frühkindliche Bildung ist weniger Vermittlung von Wissen, als Stärkung lernmethodischer Kompetenzen und Förderung von Basiskompetenzen, im personalen und sozialen Bereich (Konfliktfähigkeit, Teamfähigkeit, Umgang mit Veränderung, Kommunikationsfähigkeit und Fähigkeit zum Aufbau von Beziehungen). Moderne Bildungspläne entsprechen diesem Verständnis von Bildung. Sie zielen auf die Stärkung kindlicher Autonomie ebenso ab, wie auf die Fähigkeit zu sozialer Mitverantwortung. In diesem Sinne verstehen wir Kinder als (Co-)Konstrukteure von Wissen und Kultur und als demokratische Bürger mit entsprechenden Rechten, Pflichten und Möglichkeiten. Dies impliziert auch die Notwendigkeit, Kinder und deren Eltern als aktiv Handelnde, Forschende und Gestaltende an frühkindlichen Lernprozessen zu beteiligen. Der Bildungsbeirat sieht es als erforderlich an, die Kindertageseinrichtungen in Weiterstadt als Lernorte für frühkindliche Bildung zu profilieren und dabei den aktuell in der Diskussion und Erprobung befindlichen Bildungsplan für Hessen zur gemeinsamen Grundlage für alle Einrichtungen in Weiterstadt zu machen. Die derzeit schon vorhandene Rahmenkonzeption „Wissen bieten, lernen lassen“ der städtischen Kindertagesstätten ist nach Auffassung des Bildungsbeirates eine geeignete Grundlage hierfür, die es weiter zu entwickeln gilt. Welche Auswirkungen das auf Schule hat, soll im nachfolgenden Artikel exemplarisch am Beispiel der Albrecht-Dürer-Schule in Weiterstadt dargestellt werden.   Quellen (Teil I)
Bundesministerium für Bildung und Forschung 1998: Delphi-Befragung Potenziale und Dimensionen der Wissensgesellschaft. Auswirkungen auf Bildungsprozesse und Bildungsstruktur. München. Lehren und Lernen für die Zukunft. http://www.selbstaendige-schule.nrw.de Bildungsgesamtplan für die Stadt Weiterstadt 2005-2010. Weiterstadt, Februar 2006 Der Bildungsgesamtplan und der Bildungsbeirat würden nicht existieren ohne den Einsatz und das Durchhaltevermögen ihrer Mitglieder, denen an dieser Stelle ausdrücklich gedankt wird. Treibende Kräfte in dem gesamten Prozess waren und sind Dr.Wilfried Vetter als Vorsitzender und Dieter Assel als Vertreter der Stadt Weiterstadt.

Teil 2: Die Steuerung von Schulentwicklung – die ADS auf dem Weg zur Ganztagsschule
Die Arbeit des lokalen Bildungsbeirats der Stadt Weiterstadt ist ein schwieriger Balanceakt, der jedoch durch den hohen Einsatz der beteiligten Personen gelungen scheint. Nachdem im ersten Teil dieses Berichts der Entstehungsgedanke und das Grundkonzept dargestellt wurde, geht es hier am Beispiel der Albrecht-Dürer-Schule um grundsätzliche Entwicklungsziele und Maßnahmen aller Schulen in Weiterstadt. Dokumentiert und evaluiert wurde der ganze Prozess zusätzlich noch in einer „besonderen Lernleistung“ von Linda Lukesch, einer Schülerin der Dürerschule, die auch als Mitglied des Bildungsbeirats hier zu einem Nachwort kommt. Wer steuert wen wohin?
In dieser Zeitschrift haben wir früher berichtet über „Schulentwicklung als Prozess – Schulprogramm und Evaluation als Methode“. Waren diese Artikel noch geprägt von Optimismus in Anbetracht der größer werdenden Freiheiten und Teilautonomie von Schule, fällt die jetzige Bestandsaufnahme kritischer aus. Deutlich wird das an den aktuellen Baustellen der hessischen Bildungspolitik und den damit verbundenen Steuerungsproblemen bzw. Steuerungsbedürfnissen, die im einzelnen vielleicht berechtigt sind, sich aber immer häufiger in die Quere geraten. So gab es in den vergangenen Monaten aus dem Kultusministerium eine Fülle von neuen Gesetzen und Verordnungen und Masterplänen, die die Staatlichen Schulämter mit Zielvereinbarungen und Kontrakten umsetzen sollen. Das neue Institut für Qualitätssicherung entfaltet mit der Schulinspektion nicht unwidersprochen seinen Einfluss – so z.B. die aktuelle Kritik von Herrmann Avenarius in dieser Zeitschrift. Schulkonferenz und Gesamtkonferenz haben nach dem Hessischen Schulgesetz immer noch wichtige Entscheidungen zu treffen und die Funktion und Rolle der Schulleitung in einer stärker geleiteten Schule muss noch näher ausgelotet werden. Weitere offene Fragen werden sich ab 1.1.2008 ergeben im Zusammenhang mit der Budgetierung und der Neuen Verwaltungssteuerung. Anton Strittmatter hat eindringlich auf diverse Paradoxien der Schulentwicklung hingewiesen: Seid verlässlich und innovativ – so die Überschrift seines lesenswerten Aufsatzes, und weiterhin: Das waren noch freiheitliche Zeiten als wir noch nicht autonom sein mussten Nehmt Autonomie wahr und macht es allen recht Fördert besser und macht strengere Noten. Noch klarer formuliert es Walter Schwertl in seinem Aufsatz Vertrauen wäre gut – aber Kontrolle können wir besser, in dem er die Widersprüche behandelt, die auftreten, wenn versucht wird, Zuversicht und Vertrauen in Kennzahlen zu pressen, um sie messbar zu machen. Der archimedische Punkt außerhalb des Systems existiert nicht und eine Steuerung ist nur durch kommunikative Kompetenz möglich. In diesem Zusammenhang erscheint es paradox, wieso mehr Freiheit automatisch mit mehr Kontrolle (als die gleiche Seite derselben Medaille) einhergehen muss.  
 
Kernaussagen aus dem Bildungsgesamtplan
Auf Basis der Aussagen des 1. Bildungsberichtes definiert der Bildungsbeirat Ziele und Maßnahmen für die künftige Arbeit aller Schulen unserer Stadt. Diese beruhen u.a. auf einer Vernetzung der Bildungsträger untereinander und dem Konzept der Familienfreundlichen Schule/Ganztagsschule“. Weitere wichtige Aspekte sind die in der aktuellen Diskussion der Schulentwicklung benutzten Kategorien wie Personalentwicklung, Unterrichtsentwicklung/ Qualitätsentwicklung, Organisationsentwicklung. Für den Bereich „Familienfreundliche Schule- Ganztagsschule“ enthält der Bildungsgesamtplan das Ziel, die Albrecht-Dürer Schule, die als Schule mit pädagogischer Mittagsbetreuung anerkannt ist, zu einer Ganztagsschule mit offenem Konzept zu entwickeln und entsprechende Anträge zu stellen (was bereits mehrfach der Fall war) und die notwendigen Bau- und Einrichtungsmaßnahmen durch den Schulträger auf den Weg zu bringen. Durch Kooperation mit den örtlichen Jugendhilfeeinrichtungen, Vereinen und sonstigen außerschulischen Institutionen ist das Angebotsprofil der Schulen entsprechend zu erweitern. Für den Bereich Personalentwicklung wird u.a. formuliert, dass die Schulen eine Fortbildungsplanung auf der Grundlage ihrer jeweiligen Schulprogramme entwickeln. Regelmäßige Mitarbeitergespräche werden als Möglichkeit gesehen, die in Schulprogrammen und im Bildungsgesamtplan formulierten Ziele zu fördern; außerdem ist bei der Personalauswahl die Autonomie der Schule zu stärken. Durch neue Regelungen im Schulgesetz und im hessischen Lehrerbildungsgesetz ergeben sich erhebliche Veränderungen und Veränderungschancen, die Raum lassen für schulische Entwicklung auf der Basis von Beschlüssen der betreffenden schulischen Gremien. Der Bildungsbeirat empfiehlt eine flächendeckende Erprobung dieser Möglichkeiten in Form eines Modellversuches an allen Schulen in Weiterstadt. Die wesentlichen Ziele und Maßnahmen aus den Bereichen Unterrichtsentwicklung / Qualitätsentwicklung“ konnten von den einzelnen Schulen aus ihrem spezifischen Schulprogramm in den Bildungsgesamtplan übernommen werden. Aus den Entwicklungszielen der Albrecht-Dürer-Schule sollen hier nur die Qualitätsstandards von Unterricht beleuchtet werden. Im Zusammenhang mit dem neuen Schulgesetz, dem neuen Lehrerbildungsgesetz und den strategischen Zielen der Landesregierung im Bildungsbereich steht die Unterrichtsqualität im Zentrum der Schulentwicklung. Verbindliche Qualitätsstandards und Zielvorgaben rücken in den Vordergrund, gleichzeitig sollen die Wege dorthin aber geöffnet werden. Im Einzelnen geht es hierbei – Evaluation von Unterricht im Sinne einer systematischen Erfassung von Informationen als Grundlage von Entscheidungsprozessen – Orientierung an Bildungsstandards, die eine Entwicklung vom lernzielorientierten zum kompetenzorientierten Unterricht unterstützen – Verringerung der Risikogruppe kompetenzschwacher Schüler bzw. die Verringerung der Anzahl der Schulentlassenen ohne Abschluss   Die ADS als Ganztagsschule -Pädagogische Mittagsbetreuung Die Albrecht-Dürer-Schule wurde bereits im August 2002 in das seit 2001 bestehende Projekt Familienfreundliche Schule des Landkreises Darmstadt-Dieburg aufgenommen. Parallel dazu gab es entsprechende Anträge für die „Pädagogische Mittagsbetreuung“ und „offene Ganztagsschule“. Sie reagierte damit auf die gesamtgesellschaftliche Situation und orientierte sich an den sozialen und individuellen Bedürfnissen der Kinder und der Erziehenden. Die „Halbtagsschule“ in traditioneller Form reicht nicht mehr aus, um arbeitende Eltern zeitlich zu entlasten. Das Hessische Schulgesetz formuliert es im §15 (2) folgendermaßen: „An Schulen der Mittelstufe ist die Entwicklung von Ganztagsschulen zu fördern. Ganztagsangebote sind ergänzende Angebote… Die Teilnahme …ist freiwillig.“ Eine weitere Begründung war, dass sich bereits etwa 700 Schüler der Klassen 5-10 nachmittags in der Schule aufhielten und mit der verkürzten Gymnasialausbildung eine Mittagsbetreuung unabdingbar wird. Das offene Nachmittagsangebot im Rahmen der „familienfreundlichen Schule“ konnte ab dem Schuljahr 2004/2005 mit der Aufnahme in das Ganztagsprogramm Pädagogische Mittagsbetreuung des Hessischen Kultusministeriums wesentlich erweitert werden. An allen Wochentagen gibt es mittlerweile Hausaufgabenbetreuung, Fördermaßnahmen, erweiterte Angebote im Wahl- und Freizeitbereich. Für das Projekt konnte eine Schulsozialarbeiterin als Koordinatorin eingestellt werden, die schon vorher über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der evangelischen Kirche Weiterstadt finanziert wurde – ein Beispiel für gelungene Kooperation.    
 
Managementaufgaben: Finanzierung, Mitarbeiter, Räume
Ein Kollege aus dem Schulleitungsteam, die Schulsozialarbeiterin organisieren im wesentlichen den Ganztagsschulbetrieb mit Hausaufgabenbetreuung, Mittagessen, Arbeitsgemeinschaften, Finanzen und Personalgewinnung. Auch ohne Neubau mit Cafeteria gibt es einen Aufenthaltsbereich, um einen betreuten Übergang von der Pflichtunterrichtszeit zu den nachfolgenden Angeboten zu bieten. Für die verschiedenen Angebote werden Unterrichtsräume, Aula, Sporthalle, Computer –und Werkräume genutzt, aktuelle Renner sind vielfältige Musik- Sport- und Tanzangebote. Unverzichtbar ist das große Engagement der Eltern, Schüler, Lehrer und diverser Kooperationspartner (u.a. Fa. Merck, Vereine, Städtische Jugendförderung). Seit dem 01.08.2002 erhält die Schule vom Schulträger für jeden Schüler der Sekundarstufe I pro Betreuungstag jeweils 10 € und seit dem 01.08.2004 durch das Programm des Landes Hessen jährlich 23.000 € sowie eine Lehrerstelle. Im Rahmen des IZBB-Programms wird ein neues zweigeschossiges Gebäude voraussichtlich am 31.10. 2006 eingeweiht; es umfasst eine Mensa mit Kiosk, sowie einen Multimediaraum und zwei Arbeitsgruppenräume mit insgesamt 485m². Nachdem die räumlichen Voraussetzungen geschaffen sind und auch entsprechende langjährige Erfahrungen vorliegen, ist die logische Konsequenz für die Schule, Kooperative Ganztagsschule mit offener Konzeption zu werden. Eine entsprechende Genehmigung aus dem Kultusministerium würde zwar die Arbeit des Bildungsbeirats nicht beenden, aber ein wichtiges Teilergebnis wäre erzielt. Quellen: Avenarius, Herrmann: Schulische Eigenverantwortung und Qualitätssicherung – wie die Schulautonomie durch externe Evaluation ausgehöhlt wird. In: SchulVerwaltung, Ausgabe Hessen/Rheinland-Pfalz 6/2006, S.170-172 Lukesch, Linda: „Der Bildungsgesamtplan und die Ganztagsschulentwicklung der Albrecht-Dürer-Schule“. Besondere Lernleistung im Rahmen der Abiturprüfung 2006, Weiterstadt Schnitzspan, Walter: Schulentwicklung als Prozess – Schulprogramm und Evaluation als Methode. Schulentwicklung als kontinuierlicher Verbesserungsprozess. In: SchulVerwaltung, Ausgabe Hessen 3/98, S. 50-53 bzw. 10/99, S. 207-209 Schwertl, Walter: Vertrauen wäre gut aber Kontrolle können wir besser: In: Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung, Dortmund, Jg. 24(3), April 2005, S.77-85 Strittmatter, Anton: Seid verlässlich und innoviert! Paradoxe Rhetorik in der Schulentwicklungs-Szene. In: Journal für Schulentwicklung, Innsbruck-Wien-Bozen, 3/2005, S. 22-28


Nachwort von Linda Lukesch
Über acht Jahre habe ich die beschriebenen Entwicklungen der Schule mitverfolgen können. Ich erinnere mich an Kursangebote, die solch einen Andrang fanden, dass nicht alle Interessenten daran teilnehmen konnten. Durch die Aufnahme in die Projekte des Landes Hessen und des Kreises Darmstadt-Dieburg hat sich das Problem gelöst. Ich sehe es als äußerst positive Veränderung, dass Kinder in den Nachmittagsbetreuungen ein verlässliches Angebot finden. Zum einen haben die Schülerinnen und Schüler eine neue Betrachtungsweise der Schule, können durch gemeinsame AGs Freundschaften intensivieren und lernen Sportarten und andere Beschäftigungen kennen, die ihnen ansonsten fremd geblieben wären. Zum anderen denke ich, dass es für die betreuenden Schülerinnen und Schüler eine wichtige Erfahrung ist, mit Jüngeren in Kontakt zu kommen, Übung darin zu finden, einen Kurs zu leiten und damit die eigene Selbstsicherheit zu stärken. Durch meine Erfahrung als Kursleiterin habe ich Schülerinnen kennen gelernt für die es eine große Motivation war, Erfolge in ihrem Hobby zu erleben. Dadurch fühlten sie sich, auch wenn sie im Fachunterricht nicht die besten Leistungen erbringen konnten, in der Umgebung Schule wohl. Für mich war es unheimlich spannend, die bisherige Arbeit des Beirats zu begleiten. Den Prozess, ein Konzept zu erstellen als auch die Zusammenarbeit vollkommen unterschiedlicher, aber kompetenter Persönlichkeiten mitzuerleben, war eine wertvolle Erfahrung für die Zukunft. Erst die Mitarbeit an einem solchen Projekt machte mir deutlich, wie Konzepte solcher Art zustande kommen, aber auch, weshalb sie „so lange“ dauern. Wobei ich sagen muss, dass der Beirat zügig gearbeitet hat, wenn man die Anzahl der Mitglieder und Institutionen berücksichtigt. Es gab zum Teil hitzige Diskussionen. Insgesamt würde ich die Arbeitsatmosphäre aber als freundlich und zielgerichtet beschreiben. Ich denke, eine solche Arbeit wäre nicht zustande gekommen, wenn Weiterstadt nicht das Glück hätte, solch engagierte Bürger zu haben. Das ist auch der Grund, weshalb ich denke, dass ein solches Projekt auf andere Städte übertragen werden kann, wenn diese nicht zu groß sind und sich genügend engagierte Fachleute zusammenfinden.